
Der neueste Artikel widmet sich einem Haus in der Grazbachgasse. Seit Jahren befindet sich das Gebäude in einem vernachlässigten Zustand. Auf Google Maps ist seine Entwicklung ab 2017 fotografisch dokumentiert. Dabei ist erkennbar, dass sich im Innenhof ein Gebäude befand, das irgendwann zwischen September 2017 und April 2018 abgerissen wurde. In diesem Zeitraum verschwand auch das rostige Einfahrtstor und ein Baustellenzaun wurde errichtet.
Werfen wir jedoch zunächst einen Blick weiter zurück in die Vergangenheit. Als Grundlage dienen die Bauakten aus dem Stadtarchiv Graz, die bis 1938 frei einsehbar sind.
Ansuchen um einen Wagenschuppen
Im September 1906 ersucht Ludwig Puntigam den löblichen Stadtrat um die Bewilligung, „im Hofraume seines Hauses in der Grazbachgasse Nr. 43 einen Wagenschuppen nach den beiliegenden Plänen, mit Dachpappe gedeckt, aufstellen“ zu dürfen. Aus den Akten geht außerdem hervor, dass es sich bei Ludwig Puntigam um einen Fiaker und Hausbesitzer handelt, der jedoch nicht unter der genannten Adresse wohnhaft ist. Als Wohnadresse wird vielmehr die Elisabethstraße 5 angeführt.
Auch im Adressbuch von 1905 ist der Fiaker Ludwig Puntigam verzeichnet, ebenfalls mit der Wohnadresse Elisabethstraße 5. Eigentümer des Hauses in der Elisabethstraße ist jedoch Otto Freiherr von Abfaltrern. Die Liegenschaft Grazbachgasse 43 gehört Puntigam 1905 ebenfalls noch nicht: Zum Zeitpunkt des Drucks des Adressbuchs sind Karl und Magdalene Luttenberger als Eigentümer angeführt. Erst im 1910 publizierten Adressbuch wird Ludwig Puntigam als Eigentümer der Grazbachgasse 43 genannt, nun auch mit Wohnsitz an dieser Adresse.
Doch zurück zum Ansuchen.

Die „Bewilligung zur Aufstellung eines provisorischen Wagenschuppens“ wird – wie aus dem Akt hervorgeht – für die Dauer von fünf Jahren, also bis zum 1. Oktober 1911, erteilt. Der Stadtrat sichert sich jedoch gegen mögliche zukünftige Abbruchkosten auf Kosten der Stadt ab und verlangt die Einzahlung einer sogenannten „Abtragungssicherstellung“ in der Höhe von 80 Kronen. Zudem sind zwei Bedingungen zu erfüllen:
„1) Ist die Bedachung des Schuppens genau nach den Bestimmungen der Punkte 4a u. b. des Verhandlungsprotokolles, mit denen auf der neuvorgelegte, geänderte Plan nicht vollkommen übereinstimmt, herzustellen,
2) dürfen die projektierten Träger für das Dach nur 4,20m lang sein u. nicht auf der eigenen Hausmauer ausruhen, da der Zwischenraum von 3,70m zwischen dem Schuppen und dem Haus vollständig bleiben muss u. nicht von Trägern durch kreuzt werden darf. Die Träger sind daher noch unter dem Schuppendach auf Pfeiler zu stellen.“
Die kritische Nachbarschaft
Zu erwähnen ist die kritische Nachbarschaft Ludwig Puntigams zum Zeitpunkt der Errichtung des Wagenschuppens. Diese beobachtet die Bauarbeiten offenbar sehr genau. Gemeint sind die „Ehegatten Herr Josef und Frau Anna Murath“, denen das Nachbarhaus in der Grazbachgasse 45 gehört. In den Akten wird außerdem eine Maria Murath als Mitbesitzerin des Hauses genannt – möglicherweise die Tochter.

Den Muraths geht es vor allem um die Belichtung ihres Hofes. Denn die „„nachbarliche Liegenschaft No. 45 Grazbachgasse hat […] unmittelbar an dem geplanten Schuppen einen kleinen Hofraum von etwa 7m2 Fläche, das nur an Seite der Liegenschaft No. 43 Grazbachgasse von einer 2.5m hohen Abschlußwand, an den übrigen 3 Seiten aber von der hohen Frontmauer des Hauses No. 45 Grazbachgasse abgeschloßen ist.“ Die Errichtung des Schuppens würde die ohnehin eingeschränkte Lichtsituation somit merklich verschlechtern. Aus diesem Grund wird der Bau lediglich als Provisorium genehmigt. Wie bereits dargestellt, sind die Maße des Schuppens daher klar festgelegt.
Die Errichtung des Schuppens entspricht jedoch nicht den getroffenen Vereinbarungen. So wird die genehmigte Höhe um 79 cm überschritten. Gegen diese „konsenslose Planabweichungen“ erheben die Muraths Einspruch. Die Abweichungen werden in der Folge auch von einer Kommission bestätigt. Ludwig Puntigam gerät damit in Erklärungsnot, kann sich jedoch rechtfertigen und im Oktober 1906 einen Kompromiss mit den Nachbarn erzielen, der auch Nachbesserungsarbeiten umfasst.
Ein kleiner Zubau
Ein Jahr später stellt Ludwig Puntigam erneut einen Antrag, um einen weiteren Teil seines Hofes zu überdachen. Er argumentiert, dass „die bereits teilweite durchgeführte Überdachung nicht hinreichend und die dort untergebrachten Wägen infolge immerwährender Bescheinung durch die Sonne großen Schaden leiden.“
Mit dem Bauauftrag wird diesmal nicht mehr der Zimmermeister Anton Steinklauber aus der Lagergasse 75 betraut, sondern der Zimmermeister Franz Pögl aus St. Peter. An dieser Stelle sei lediglich erwähnt, dass das Sägewerk und die Zimmermeisterei Pögl in St. Peter – neben den dort ansässigen vier Ziegeleien – zu den Betrieben mit den meisten Arbeitsplätzen und höchsten Umsätzen zählten (vgl. Dienes/Kubinzky 1993: St. Peter. Geschichte und Alltag, S. 22).

Gegen diesen Zubau erhebt die Nachbarschaft nun keine Einwände. Der Bau soll erneut als Provisorium für die Dauer von fünf Jahren bewilligt werden, auch wenn die Überdachung – wie es im Akt heißt – „zwar von der Straße aus keinen besonders günstigen Anblick“ bietet. Dieser „Anblick“ ist jedoch keineswegs unerheblich, denn als Ludwig Puntigam 1911 erneut um eine Verlängerung der Frist ansucht, wird genau aus diesem Grund empfohlen dem Antrag nicht stattzugeben. Letztlich wird die Frist dennoch bis Oktober 1921 verlängert.
Bereits seit 1919 erscheint in den Akten Ludwig Trummer aus der Villefortgasse 11 als neuer Eigentümer der Grazbachgasse 43. Im Jahr 1921 sucht bereits Ludwig Trummer gemeinsam mit Franziska Trummer erneut um eine Verlängerung der Frist für den errichteten Wagenschuppen und die hergestellte Hofüberdachung bis zum 1. Oktober 1926 an. Zu diesem Zeitpunkt wohnt Ludwig Puntigam in der Schießstattgasse Nr. 27.

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Bald kommt:
Ein Grazer Fiaker: Grazbachgasse 43. Teil 2: Kein einfaches Leben.
