Ein Kantineur als Villenbesitzer: Göstinger Straße 33

Foto Fez Brook, 2025

In Graz verschwinden zunehmend die alten Villen. Da und dort wird Protest dagegen laut. So habe ich aus den sozialen Medien von einem geplanten Abriss in der Göstinger Straße erfahren. Vor Ort ist bereits eine Werbetafel, die eine neue Wohnoase mit 24 Wohneinheiten und einer Tiefgarage anpreist. Die zwei geplanten Gebäude sehen meiner Meinung nach langweilig aus. Die Visualisierung wirkt – ökologisch betrachtet – öde: Kurz getrimmter Rasen mit einer Sitzgruppe um eine Feuerstelle. Kann diese Feuerstelle überhaupt genutzt werden? Stichwort Feinstaub. Ein paar Büsche am Zaun entlang. Ein „Insektenparadies“. Eine Stadt wächst und verändert sich nun mal, das ist schließlich das Kennzeichen einer Stadt. Da muss manchmal Altes dem Neuen weichen. Blicken wir aber kurz zurück und schauen, welche Geschichte sich überhaupt hinter den Gemäuern der Villa verbirgt, die noch hinter dem Werbeplakat steht.

Foto Fez Brook, 2025

Eine Kaserne als Arbeitsort
Im Stadtarchiv Graz sind einige unterschiedliche Bauakte der Adresse Göstinger Straße zugeordnet, die sich auf ein Bauprojekt beziehen: „[Ein] Project zur Erbauung eines Kellers mit Villa für Wo[h]lgeborene Herrn und Frau Krippe, Cantineur in der k.k. Franz-Josefs-Kaserne auf der Grundparzelle 31 3 Castral-Gemeinde-Algersdorf.“ In einem Ansuchen von 06. Mai 1902 ist wiederum zu lesen, dass „Der ergebenst Gefertigte beabsichtigt, auf dem von ihm neu angekauften Grundstücke in der Catastral-Gemeinde Algersdorf, Grundparzelle 313, einen Keller mit Villa zu erbauen, nach den von Herr Stadtbaumeister Peter Darnhofer, Graz Lendplatz 12, ausgeführten und diesem Gesuche beigelegten Plänen.“ Unterschrieben ist das Ansuchen von Hans Krippe.

Es ist also eine Familie Krippe, die sich eine Villa in Eggenberg gönnt. Das Kleingeld für ihr neues Häuschen wird durch die Betreibung einer Kantine in der Franz-Josef-Kaserne erwirtschaftet. Eine Kaserne, die gerade 12 Jahre vor dem Bau der Villa errichtet worden ist. Sie ist der letzte Kasernenneubau in Graz vor dem Ersten Weltkrieg, der ganz „den modernen Ansprüchen der damaligen Zeit“ entsprochen hat. Sie wird 1895 in den Betrieb genommen. (Vgl. „Truppen:Dienst. Magazin des Österreichischen Bundesheeres“.)

Kaiser-Franz-Josefs-Kaserne, Postkarte, ca. 1895–1905 (geschätzt), Sammlung GrazMuseum

Bevor Hans Krippe und seine Frau ihr neues Domizil in der Göstinger Straße beziehen, wohnen sie in der unmittelbaren Nähe zu ihrem Arbeitsort, und zwar in der Laudongasse. Diese Wohnadresse von „Kantinenpächter“ Hans Krippe ist auch in dem Grazer Adressenbuch von 1905 (S. 410) zu finden. Die genaue Hausnummer lautet Laudongasse Nr. 4. Zu Hans Krippes Familie geben wiederum Zeitungen aus dieser Zeit Auskunft. So ist der Kantineur mit Elisabeth Daneschitz (? –26.08.1917) verheiratet (Grazer Tagblatt, 28.08.1917). Gemeinsam haben sie mindestens ein Kind, die Tochter Helene, die am 30. April 1917 in der Andräkirche Ernst Geißlmayr, ein Beamter der Steiermärkischen Escomptebank, heiratet (Tagespost, 03.05.1917).

Kaiser-Franz-Josefs-Kaserne, Postkarte, ca. 1895–1905 (geschätzt), Sammlung GrazMuseum

Verbreiterung einer Straße als Bauhindernis
Stadtbaumeister Peter Darnhofer ist derjenige, der 1902 die Villa bauen soll. Vier Jahre später steht das Haus jedoch noch immer nicht. Es entstehen Schwierigkeiten, die wohl im Kontext der verlangten Abtretungswünschen durch die Gemeinde Eggenberg zu sehen sind. Diese plant die Göstinger Straße zu verbreitern und möchte, dass Hans Krippe einen Teil seines Grundes zu diesem Zwecke unentgeltlich abtritt. Aus dem Plan von Peter Darnhofer geht dabei hervor, dass die Villa unmittelbar an der Göstinger Straße liegt.

Zu diesen Plänen ist auch in den Zeitungen zu lesen. Denn Hans Krippe und Gottlieb Weippert stellen 1904 ein Gesuch „um Änderung des Verbauungsplanes in der Bergstraße“. (Grazer Volksblatt, 13.07.1904.) Einige Tage später ist zu dem Gemeindeausschuss von Eggenberg zu lesen: „Herr G.-A. Ludwig Binder berichtet weiters über des Gesuch des Herrn Gottlieb Weippert und Hans Krippe um Änderung des Verbauungsplans in der Bergstraße und Göstingerstraße. Nach dem Antrag des Referenten wird die Breite der Bergstraße festgestellt, die die Geradelegung jedoch abgelehnt. Die über den Grund des Herrn Weippert projektierte Zukunftsstraße wird mit Hinweis auf den Bestand zweier Parallelstraßen bedingungsweise aufgegeben.“ (Grazer Volksblatt, 17.07.1904.)

So geht es noch einige Zeit hin und her. Vier Jahre gehen ins Land. Erst im September 1906 werden Zugeständnisse von Seite der Gemeinde gemacht. Hans Krippe erhält eine „Pauschalentschädigung von 200 Kronen für die Grundabtretung in der Bergstraße“, die ebenfalls neu reguliert wird. Es wird ihm auch mitgeteilt, dass „zum „Zwecke der Erbreiterung der Göstinger-Straßgang-Bezirkstraße“ ihm 2 Kronen per Quadratmeter zugesprochen werden. Diese werden jedoch aus budgetären Gründen erst im darauffolgenden Jahr ausgezahlt. Die „Herstellung einer soliden Huttermauer in der Bergstraße wird nach der Regulierungslinie bewilligt.“ Die Errichtung einer „Huttermauer“ in der Göstinger Straße ist jedoch „entschieden abzulehnen“, heißt es weiter. An dieser Stelle kann jedoch nicht beantwortet werden, was mit einer Huttermauer gemeint ist.

Neues Domizil
Im August 1907 bittet Hans Krippe um die „Erteilung des Bewohnungs-Benützungs-Consenses für seine neu erbaute Villa“, die ihm auch noch im selben Monat bewilligt wird. Diese ist nicht mehr nach dem Plan des Stadtbaumeisters Peter Darnhofer errichtet. Vielmehr ist für den Bau der Stadtbaumeister August Kleindienst verantwortlich. Die Villa ist nun näher an der Bergstraße als der Göstinger Straße geplant. Auch ein Wirtschaftsgebäude wird geplant, dass zuvor nicht vorgesehen wurde. Dieses liegt direkt an der Grundgrenze des Nachbarn Ludwig Laaber, der dagegen im Mai 1906 Einspruch erhebt. Es erfolgt wohl dann eine Einigung, denn dazu gibt es keine weiteren Akten mehr. Zu erwähnen ist nur, dass bei der Personalie Laaber sich vermutlich um den Fotografen Ludwig Laaber handelt. Vielleicht kauft Hans Krippe auch von ihm sein Grundstück. Auf dem Plan von August Kleindienst ist jedoch nur das Grundstück einer Katharina Laaber eingezeichnet.

Im Jahr 1910 erfahren wir noch aus den Zeitungen, dass Hans Krippe auf dem Grund seiner Villa immer wieder eine „Weinlizitation“, also eine Weinversteigerung, veranstaltet. Verkauft werden Weine aus der „FriedauLuttenberger Gegend“, die heute zu Slowenien zählt.

Hans Krippe stirbt am 03. Jänner 1929 „um 10 Uhr abends nach langem schweren Leiden, versehen mit den hl. Sterbesakramenten.“ (Grazer Tagblatt, 05.01.1929).

Foto Fez Brook, 2025

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Eine Zusammenfassung des Artikels ist ebenfalls auf der Seite von Grazwiki zu finden. Die Bauakte sind im Stadtarchiv Graz einzusehen. In den Bauakten sind u.a. zwei Pläne, Protokolle sowie Zustellungsscheine vorhanden. Zu Hans Krippe sind auch Artikel/ Anzeigen in den Zeitungen aus der Zeit zu finden. Eine weitere für den Artikel zugezogene Quelle ist das Grazer Adressenbuch von 1905.

4 Kommentare zu “Ein Kantineur als Villenbesitzer: Göstinger Straße 33”

  1. vielen Dank für die Infos! gerade an dieser Villa geh ich täglich vorbei! vor kurzem war der ehem Besitzer dirt, hab ihn gefragt, wozu dieser merkwürdige Nebenbau war, vielleicht für Fuhrwerke? leider hatte er keinerlei Info! deshalb nochmals vielen Dank!!!

  2. Danke für diese interessante Recherche zur Villa, die einst meinem Großvater Oskar Moser und später meinem Onkel Ing. Johann Eisner gehörte.

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