Fassaden der Zeit: Münzgrabenstraße 93, 95 & 97. Teil 2: Hufengeklapper und Baustellenlärm

Münzgrabenstraße 93, 95 und 97, Foto Fez Brook, 2025.

Im ersten Teil wurde die Geschichte der Häuser Münzgrabenstraße 93, 95 und 97 um das Jahr 1840 skizziert. In diesem Beitrag wenden wir uns nun der Zeit um 1890 bis 1910 zu.

Nachbarschaftliche Situation 1889

Zwischen 1862 und 1885 wird Franz Luef in den Adressbüchern als Eigentümer des Hauses Münzgrabenstraße 93 geführt. Unklar bleibt, ob er das Gebäude unmittelbar von Michael Ragam erwirbt oder ob es in der Zwischenzeit einen weiteren Besitzer oder eine Besitzerin gibt. Luef erweist sich jedenfalls als tatkräftiger Investor: Er lässt die Häuser Moserhofgasse 59 und 61 errichten. Irgendwann zwischen 1885 und 1889 dürfte er sein Wohnhaus an Franz Kremser verkauft haben, bleibt jedoch weiterhin dessen Nachbar.

Zu Kremsers weiteren Nachbarn zählen im Jahr 1889 Josef Weltin (heute Münzgrabenstraße 95) sowie Michael Hösch und Anna Lederhaas (heute Münzgrabenstraße 97). Es ist anzunehmen, dass Hösch und Lederhaas ein Ehepaar waren. Einen Hinweis darauf liefert eine Zeitungsannonce vom 10. Oktober 1886, in der die Trauung eines Kammerdieners und einer Köchin bekannt gegeben wird. Zwar wird der Name Hösch dort als „Häsch“ geschrieben, doch es scheint so, als ob es sich um denselben Michael handeln würde, der in der Münzgrabenstraße 83 (alte Hausnummer) wohnte und seine Anna Lederhaas heiratete.

Von Franz Luef errichtete Wohnhäuser – Moserhofgasse 59, 61 und 63 bzw. Münzgrabenstraße 93. Foto Fez Brook, 2025.

Pferdegewieher und Pferdeduft

Franz Kremser hegt einige bauliche Pläne bezüglich seiner Liegenschaft. So stellt er einen Antrag auf die „Bewilligung zur Herstellung eines kleinen Pferdestalles sowie 2er Aborte und einer Holzlage, an Stelle des bei seinem Hause Münzgrabenstrasse No 79 befindlichen Hofgebäudes.“ Interessant ist, dass Kremser zu diesem Zeitpunkt zwar als Eigentümer der genannten Adresse geführt wird, dort jedoch nicht wohnt. Seine Wohnadresse lautet Leonhardstraße 42.

Die beiden Aborte – vermutlich einfache Plumpsklos – beziehen auch die Bedürfnisse der Nachbarschaft mit ein. So wird vereinbart, dass eines der Klos von Josef Weltin genutzt werden kann. Im Juli 1890 ist das Bauvorhaben bereits in trockenen Tüchern. Damit bereichert sich die Nachbarschaft um mehrere Geruchsfacetten: Zwei Aborte und ein Pferdestall mit zugehöriger Düngergrube. Auch die Geräuschkulisse erhält eine neue Note: Pferdegewieher und Hufengeklapper.

In der Nachbarschaft steht das Althallerschlössl. Postkarte, Sammlung GrazMuseum, 1910 (Bildproduktion).

Hochtrabende Pläne ohne Umsetzung

In der Nachbarschaft ist nicht nur das Wiehern und Hufklappern der Pferde zu hören, sondern immer wieder auch Baulärm. Doch nicht alles wird so umgesetzt, wie ursprünglich geplant. Im Jahr 1893 ist der Eigentümer des heutigen Hauses Münzgrabenstraße 93 nicht mehr Franz Kremser, sondern der Dampfbäckereibetreiber Josef Florian vom Lendplatz 28. Vielleicht erfährt er vom Verkauf aus dem „Grazer Tagblatt“, in dem das Haus von Josefa und Franz Kremser um 5.500 Gulden angeboten wird. (Nach einer Umrechnung wären das heute etwa 44.550 Euro – ob das genau stimmt, sei dahingestellt.)

Florian beabsichtigt das Haus aufzustocken. Die Baugenehmigung dafür hatte bereits im Mai 1891 Franz Kremser beantragt und auch erhalten, doch das Vorhaben blieb unausgeführt. Auch Florian wird den Plan letztlich nicht umsetzen. Für die geplante Aufstockung hätte er eine neue Bewilligung beantragen müssen, da die alte Genehmigung nicht mehr gültig war. Was ihn davon abhielt, lässt sich heute nur vermuten. Im Adressbuch von 1895 scheint er jedenfalls nicht mehr als Eigentümer auf – stattdessen wird eine Juliane Kramberger als neue Besitzerin des Hauses geführt. Josef und Anna Florian bleiben am Lendplatz 28, wo sie bereits vor dem Erwerb der Münzgrabenstraße 93 lebten und ihre Dampfbäckerei bis zum Jahr 1903 weiterführten.

Neuster Plan von Graz (1901), Sammlung GrazMuseum

Baupfusch kommt dazu

Im Jahr 1911 wird erneut versucht, in der Nachbarschaft ein Bauprojekt zu verwirklichen. Inzwischen haben die drei Häuser – Münzgrabenstraße 93, 95 und 97 – neue Eigentümer*innen. Laut dem Adressbuch von 1910 gehören sie Karoline Holzer (Nr. 93), Martin und Josefa Grundner (Nr. 95) sowie Alois Nebel und Maria Knapp (Nr. 97).

Alois Nebel ist jener, der im März 1911 ein Ansuchen auf „zwei Dachkammern sowie einen neuen Kamin“ einreicht. Er wird als Gastwirt bezeichnet und wurde 1861 in Kresbach geboren. Neben seinem Wirtshausbetrieb erzielt er zusätzliche Einnahmen durch Zimmervermietung. Nebel ist verheiratet und hat Kinder zu versorgen. Die geplanten Dachkammern sollen laut Bauansuchen „zu Aufbewahrungszwecken“ errichtet werden – was auch bewilligt wird. Eine spätere Nutzung als Wohnräume wird jedoch ausdrücklich untersagt, solange nicht entsprechende Anpassungen – etwa größere Fenster – vorgenommen werden. Mit der Ausführung der Bauarbeiten wird der Baumeister Hans Krafika aus der Schönaugasse beauftragt.

Unmittelbare Nachbarschaft, Münzgrabenstraße 99, 103 und 105

Das ist jedenfalls der Plan. Die Umsetzung verläuft jedoch anders, und ein Jahr später beginnen die Scherereien. Alois Nebel hält sich nämlich nicht an die Bauordnung. Streitpunkt ist vor allem der Kamin, der nicht ordnungsgemäß errichtet wird. Zudem lässt Nebel die Arbeiten von einem Maurergehilfen namens Gspandl ausführen – was so nicht vereinbart war. Offenbar plante er auch, die Dachkammern zu vermieten, obwohl dies ausdrücklich untersagt war.

Nebel selbst sieht keine Schuld bei sich. Er argumentiert, der Maurergehilfe habe „ohnedies unter dem Maurermeister Frika, Schönaugürtel“ gearbeitet. Doch diese Rechtfertigung wird nicht akzeptiert. In den Akten heißt es spöttisch, Nebel kenne „nicht einmal den Namen des Maurermeisters – er nennt ihn Frika statt Hans Krafika“. Zudem wird vermerkt, dass Nebel „keinen guten Leumund“ genieße, weshalb ausdrücklich empfohlen wird, die Geldstrafe keinesfalls zu mildern.

Münzgrabenstraße 95 und 97

Die Strafe wird schließlich „zu Gunsten des Armenfonds der Gemeinde Stadt Graz“ auf 100 Kronen festgesetzt. Für den Fall der Nichtbezahlung drohen zehn Tage Arrest. Ob Alois Nebel letztlich zahlte oder seine Strafe verbüßen musste, bleibt unbekannt.

Die Häuser heute

Heute verfallen die Häuser Münzgrabenstraße 93 und 95 vor sich hin. Das Nachbarhaus Nr. 97 ist dagegen in einem gepflegten Zustand. Die Spuren der vergangenen Jahrzehnte sind an den beiden ersten Gebäuden deutlich sichtbar – bröckelnder Putz, verwitterte Fassaden und leere Fenster prägen ihr Bild. Dennoch erzählen sie noch immer von der bewegten Geschichte dieses Straßenzuges und den Menschen, die hier einst lebten und bauten.

Münzgrabenstraße 93 und 95, Foto Fez Brook, 2025

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Hier geht es zum ersten Teil: Fassaden der Zeit: Münzgrabenstraße 93, 95 & 97. Aus zwei werden drei.

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Eine Zusammenfassung des Artikels ist ebenfalls auf der Seite von Grazwiki zu finden. Die Bauakten sind im Stadtarchiv Graz einzusehen.

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