Graz bietet viele Möglichkeiten für Spaziergänge im Grünen. Wer dabei ein wenig „Höhenluft“ schnuppern möchte, findet am Reinerkogel ein lohnendes Ziel. Einst eröffnete hier sogar eine Aussichtswarte besonders Schwindelfreien einen weiten Panoramablick über Graz und das Umland. Doch diese Aussicht ist heute Geschichte: Die Warte existiert nicht mehr, und der Wald ist dichter geworden.
Die erste Warte
Die erste Aussichtswarte auf dem Reinerkogel wurde 1873 von Professor Dr. Franz Clar (1812–1876) errichtet. Am 1. Mai jenes Jahres wurde ein heiteres Fest gefeiert, an dem auch leitende Persönlichkeiten des Steirischen Gebirgsvereins teilnahmen. Der Vereinschor sang „drei passende, gemüthvolle Lieder“ und, wie es bei solcher Prominenz üblich war, wurden auch Reden gehalten. Über diesen festlichen Anlass berichtete das „Grazer Volksblatt“ am 4. Mai 1873.
Fast dreißig Jahre später war diese Warte bereits Geschichte: Sie stürzte ein, weil sich niemand mehr um ihren Erhalt kümmerte. „Die vorhandenen Reste aus Holz wurden dann noch zum Ueberflusse von übermüthiger Hand angezündet und verbrannt.“ („Grazer Volksblatt“, 10.12.1901) Zudem wurde die Benutzung der Wege zum Reinerkogel untersagt, da sie über Privateigentum führten.
Das neue Wahrzeichen

Der Naturfreund Oscar Freiherr Speth von Schülzburg fasste die Idee von der erneuten Erschließung des Reinerkogels mit einer neuen Aussichtswarte auf. Um Gäste zu verköstigen, wurde gleichzeitig eine Alpenhütte eingeplant. Bei einer üblichen Lokalkommission wurde diesem Vorhaben von der Behörde auch zugestimmt. („Grazer Volksblatt“, 10.12.1901)
Im Mai 1902 wurde bereits die Eröffnung gefeiert. Anfänglich war die Warte gegen eine kleine Gebühr zugänglich – der Naturfreund Speth öffnete den Reinerkogel dem Publikum also nicht nur aus Nächstenliebe, sondern auch aus geschäftlichem Interesse. Jedenfalls wurde dieser Bau sofort als neues Wahrzeichen von Graz gepriesen:
„Der schlanke Bau der Warte erhebt sich aus dem grünenden Walde als ein neues Wahrzeichen in der Umgebung von Graz. Der aus lichtem Holze ausgeführte Bau, zu welchem der Baumeister Josef Laber die Grundfeste mit großen Kellereien gelegt hat, ist ein Werk des Zimmermeisters Herrn Josef Fekonja, das gewiss seinen Meister lobt und volle Anerkennung findet. Die Höhe der Warte beträgt bis zur Plattform 16 Meter, die Gesammthöhe bis zum Firste des Daches 25 Meter. Wollen wir noch Zahlen hinzufügen, die vielleicht den Leser interessieren, so sei erwähnt, dass die absolute Höhe der Warte 517 Meter, also ungefähr um 49 Meter mehr als jene des Schlossberges, beträgt. Bis zur Plattform führen 75 Stufen. Um unterem Raume befindet sich eine Bauernstube, die „Waldschenke“, die musterhaft ausgestattet ist. Um die Warte herum sind eine Veranda und zahlreiche Ruheplätze angelegt und mit Tischen und Bänken versehen; hier wird es im Waldesschatten an heißen Sommertagen herrlich sein, zumal es auch an der nötigen Labung an Speise und Trank nicht fehlen wird, da der als tüchtige Wirtin bekannten Frau Zwickl die Wirtschaft in der Waldschenke übergeben wurde.“ („Grazer Volksblatt“, Abendausgabe, 14.05.1902)
Gefeierter Treffpunkt
Vor allem in den ersten Jahren nach der Eröffnung war der Reinerkogel ein gefeierter Treffpunkt – heute würden wir vielleicht von einem heimischen Must-See-Place sprechen. Immer wieder fanden Veranstaltungen auf dem Reinerkogel statt, auch wenn – so lässt sich vermuten – diese sich nicht unbedingt an die Jugend richteten. Ob musikalische Hornsolos oder die Auftritte des Gesangsvereins „Liederkranz“ tatsächlich der große Renner bei der Jugend der Zeit waren, lässt sich hier nicht beantworten.

Es scheint jedenfalls, dass das Zielpublikum etwas älter war. Dafür sprechen die vielen Wohltätigkeitsveranstaltungen, die vor allem in den ersten Jahren nach der Eröffnung gefeiert wurden. Eine eifrige Organisatorin war Baronin Margot von Speth, die Ehefrau von Oscar Freiherr Speth von Schülzburg. Sie erfüllte damit wohl eine von ihr erwartete gesellschaftliche Rolle, die sie vielleicht auch gerne auf dem Reinerkogel spielte. So übernahm sie etwa die „Patenstelle der neuen Vereinsfahne“ für den Militär-Veteranenverein von St. Veit ob Graz, der sein Wohltätigkeitsfest im August 1903 auf dem Reinerkogel feierte. („Grazer Volksblatt, 06.08.1903)
In der „Kleinen Zeitung“ von 1942 erinnerte sich Josef Novak an die Feste, die während seiner Dienstjahre auf dem Reinerkogel gefeiert wurden. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits seit 31 Jahren Turmwächter und Gastwirt. Er berichtete vom „Vorstadtball“ auf der Veranda unter dem Aussichtsturm, wo „zu Landler gejauchzt und zum Veitscher Ochsentanz gestrampft“ wurde, „daß die ganze Keusche zitterte.“ Hier und da sei auch „a bisserl grauft“ worden, doch es sei stets fröhlich zugegangen – so Novak. („Kleine Zeitung“, 10.10.1942)
Der Turmwächter selbst erhielt seinen letzten Nachruf im „Arbeiterwille“ vom 11. Jänner 1946, nach seinem Tod im Alter von 73 Jahren.
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Bald kommt: Reinerwarte. Teil II: Eine lästige Kostenstelle


