GrazMuseum: Stadt Natur

„Stadtoase“ im GrazMuseum, 2024, Foto Fez Brook

Zwei Ausstellungen zum Thema Natur sind gerade im GrazMuseum zu sehen, die den Fokus auf Grazer Grünräume und ihre Bewohner*innen legen: In Grazer Gärten und Innenhöfen, Laufzeit bis 08.09.2024, und Habitat Graz, Laufzeit bis 02.02.2025. Abgerundet wird das Jahresprogramm Stadt Natur zusätzlich durch Workshops, Spaziergänge und Diskussionen.

Bereits vor mehr als 10 Jahren wurden folgende Fragen gestellt: „Welches Museum braucht eine Stadt?“* Welche Aufgaben haben Museen zu übernehmen? (Diese Frage wird seit dem Aufkommen der Museen immer wieder aufgeworfen.) Und welche Geschichten sind zu erzählen und v.a. aus welcher Perspektive? (Das Thema Perspektive ist neueren Datums, aber auch inzwischen in die Jahre gekommen.) Das GrazMuseum scheint mir schon vor Jahren darauf eine Antwort gefunden zu haben. Es sind nicht nur historische Fragen, die es stellt und zu beantworten sucht. Vielmehr bearbeitet es ebenso soziologische, soziale und, wie im Fall dieser zwei Ausstellungen, ökologische Themen. So sind diese zwei Ausstellungen keine reine Präsentation historischer Objekte (diese fehlen hier sogar weitgehend), viel mehr reflektieren sie über den Umgang mit der Natur in Graz in der Epoche des Klimawandels und verbinden vergangene mit gegenwärtigen und zukünftigen Zugängen.

In Grazer Gärten und Innenhöfen

Die Ausstellung In Grazer Gärten und Innenhöfen ist im Erdgeschoss des Museums in der Sackstraße, im Hof und in der Gotischen Halle zu sehen. Kleine Stationen aus wiederverwendbaren Materialien – überwiegend aus Holz – geben Einblicke in die Geschichte und Gegenwart des oben erwähnten Themas. Von ihrem Aufbau her erinnern diese Stationen an die Blockrandbebauung, die im 19. Jahrhundert in Graz aufgekommen ist: Blockrandbebauung bezeichnet eine geschlossene Bauweise von Gebäuden um einen gemeinsamen Hof. Das Ergebnis ist ein quadratischer Donut, der meistens an vier Straßen liegt. Auch die Holzstationen haben überwiegend vier Seiten mit unterschiedlichen Text- und Bildinhalten.

Auf die Blockrandbebauung wird immer wieder Bezug in der Ausstellung genommen. Dabei sind drei Bebauungsweisen in Graz zu finden, die wiederum eigene Innenhofformen haben: die mittelalterliche mit rechteckigen Innenhöfen bzw. Renaissance-Arkadenhöfen, die biedermeierliche Bebauung des frühen 19. Jahrhunderts sowie die gründerzeitliche mit der für sie charakteristischen Blockrandbebauung. Während die biedermeierliche Baustruktur mit großen Garten- und Hofräumen nur noch selten zu finden ist, ist die Blockbauweise der Gründerzeit – gekennzeichnet durch große Geschosshöhen und das teilweise Vorhandensein von Vorgärten – noch gut erhalten.

Franckstraße, Naglergasse, Schillerplatz und Parkstraße, Ecke Wormgasse, Sammlung GrazMuseum

Wie bereits gesagt, wird die gründerzeitliche Bebauung immer wieder in der Ausstellung thematisiert. Es werden einige Baumeister der Gründerzeit erwähnt und es gibt reichlich Bildmaterial zu dieser Bauweise mit ihren teils bis heute noch erhaltenen Vorgärten. Diese Vorgärten werden so modisch, dass 1867 der Universitätsprofessor Max Karajan um die Rückversetzung seines Hauses beim Magistrat der Stadt Graz ansucht, damit er einen Vorgarten erhält: Wie wollte er das eigentlich umsetzen???

Es wird ebenfalls auf die unterschiedlichen Funktionen der Grünflächen genommen: u.a. ästhetische, gesundheitliche als auch ökologische Erwägungen vs. ehemalige Grünfläche als Parkplatz. Nicht zu unterschätzen sind auch die sozialen Aspekte: der Garten als Erholungs- und Treffpunkt, aber auch als eine Versorgungsmöglichkeit in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit: als Beispiel Gemüsegärten in der Zeit des Ersten Weltkrieges.

Ausstellung In Grazer Gärten und Innenhöfen, 2024, Foto Frez Brook

Im Hinblick auf die Selbstversorgung, v.a. ärmerer Bevölkerungsschichten, entstehen die Kleingärten (auch als Schrebergärten oder Heimgärten bekannt), die ebenso in der Ausstellung vorgestellt werden. So beantragt 1907 der Grazer Verein „Heimgarten“ seine Gründung, wobei versprochen wird „wenig Bemittelten“ zugänglich zu sein. Heute bestehen noch 30 Grazer Kleingartenvereine, auch wenn sich ihre Fläche seit 1944/45 halbiert hat. Heute bieten sie – wie es in der Ausstellung heißt – „nicht nur Platz für Erholung und Ausgleich zum geschäftigen Alltag von Hobbygärtner*innen, sondern ebenso Platz für lebendige Flora, Fauna, sowie die Gestaltungsfantasien der Gärtner*innen“. Das Gärtnern ist dabei inzwischen mehr als nur ein individuelles Erlebnis. Unterschiedliche Initiativen – die ebenfalls in der Ausstellung vorgestellt werden – ermöglichen das Gärtnern als ein gemeinschaftliches Vergnügen. 

Habitat Graz

Ausstellung Habitat Graz, 2024, Foto Fez Brook

Diese Ausstellung ist im ersten Stock des Haupthauses zu finden. Einige Themen, die bereits in der Ausstellung In Grazer Gärten und Innenhöfen vorkommen, werden erneut aufgegriffen, was beide Ausstellungen schön verbindet. So werden u.a. in beiden Ausstellungen grüne Korridore als „Lebensadern der Stadt“ thematisiert. Der Fokus dieser Ausstellung ist aber mehr auf die unterschiedlichen pflanzlichen und tierischen Bewohner*innen des Habitat Graz gerichtet.

So erfahren die Besucher*innen von der Platanen-Allee in der Elisabethstraße, die 1856 gepflanzt wurde. Den Anlass bot hierfür der Besuch der Kaiserin Elisabeth. Der Schlossberg und der Stadtpark werden vorgestellt, die bis heute als grüne Lungen bzw. das grüne Herz der Stadt gelten. Der 1868 eröffnete Stadtpark ist dabei ein Zuhause für die unterschiedlichsten Tiere und Pflanzen, unter anderem für 2000 Bäume. Einer dieser Bäume ist die Rosskastanie, die über das Osmanische Reich – hier wurden ihre Früchte als Pferdefutter verwendet – nach Zentraleuropa kommt. Da sie schon im Frühling großzügig Schatten bietet, ist sie häufig in Biergärten und alten Brauereien zu finden.

Herbstliche Allee im Stadtpark, ca. 1920 bis 1930, Sammlung GrazMuseum

Als besondere Habitate werden ebenfalls der Botanische Garten, die Eustacchio-Gründe und der Joanneum-Garten vorgestellt. Zusätzlich werden die Probleme und Sorgen der Tierwelt dieser Habitate erzählt: Fischmangel im Stadtpark für die Gänsesäger oder zu nahe Verwandtschaftsverhältnisse aufgrund mangelnder Grünräume bei den Stadtpark-Hansis. In einem Raum wird zusätzlich Bezug auf die Berge rund um Graz und ihre geologische Entstehung genommen. Eine Galerie der Stadtbewohner*innen und eine kartografische Werkstatt – mit einem wunderbaren, raumausfüllenden Teppich mit einem Satellitenbild von Graz – runden die Ausstellung ab.

Besuchsempfehlung

Der Besuch ist auf jeden Fall empfehlenswert. Vieles kann in beiden Ausstellungen erfahren werden. Dabei wird nicht nur Stadtgeschichte vermittelt, sondern auch über urbane Natur im Wandel erzählt, wobei ebenso auf den Klimawandel Bezug genommen wird.

Was mir jedoch zu wenig vorhanden ist, sind aussagekräftige Objekte. Nur was ist zu sammeln, um Natur im urbanen Raum und einen Klimawandel dinglich greifbar zu machen? An sich ist das Thema Sammeln ein ewiger Dauerbrenner in der Museologie, wobei fehlendes Geld und mangelnder Depotraum stets bejammert werden. Zu erwähnen wäre noch die fehlende Kreativität diesbezüglich – nur eine Meinung.

Die Ausstellung In Grazer Gärten und Innenhöfen zeigt v.a. zweidimensionale Medien: Bildmaterial (Fotos, Pläne und Karten als Reproduktionen) und Texte. Ich persönlich finde es ermüdend, wenn in Ausstellungen nur Texte und Bilder zu sehen sind. In der Ausstellung Habitat Graz ist das jedoch anders.Hier werden unterschiedliche Medien, Videos, Bilder, Objekte, Karten, Ausstellungsinstallationen, etc., gezeigt, die so verschiedene Sinne ansprechen.

Stadtmodell, Ausstellung Habitat Graz, 2024, Foto Fez Brook

Ichbrauche auch mehr eine sichtbare Gliederung, damit ich gezielter die Inhalte mir aussuchen kann, die mich interessieren. Natürlich sind die Ausstellungen strukturiert, doch die Ausstellung In Grazer Gärten und Innenhöfen ist inhaltlich so kleinteilig, dass es zu Wiederholungen kommt, gleichzeitig aber inhaltliche Tiefe vermissen lässt. Trotzdem habe ich in der Ausstellung vieles erfahren, das ich nicht wusste: Über die Blockrandbebauung werde ich jetzt alle informieren, die mich besuchen oder bei einem Spaziergang begleiten werden. Das Wort Blockrandbebauung ist einfach toll!

Was mir besonders gefällt, sind das Stadtmodell und der Teppich mit dem Satellitenbild von Graz in der Ausstellung Habitat Graz. Ein besonderer Hingucker ist die „Stadtoase“ im Hof vom Breath Earth Collective. In einer Rezension wird sie als „ein Mix aus Sitzlandschaft und Miniwald, den man jederzeit bei freiem Eintritt nutzen kann“, beschrieben. Bleibt diese Stadtoase länger? Ich hoffe schon. Die Ausstellungen sind jedenfalls noch bis September (In Grazer Gärten und Innenhöfen) bzw. Februar 2025 (Habitat Graz) zu sehen.

Literatur

*Claudia Gemmeke und Franziska Nentwig (Hg.): Die Stadt und ihr Gedächtnis. Zur Zukunft der Stadtmuseen. Bielefeld 2011.