
In der Petersgasse steht ein interessantes Gebäude, an der Mündung des Waltendorfer Gürtels. Auf der auffällig geschwungenen Stirnwand des gelben Hauses ist in Großlettern „Gasthaus“ zu lesen. Im Hof ist eine Unmenge an Krempel zu finden, da sich hier schon seit Langem ein Trödelmarkt befindet. Nur die Schrift in Großbuchstaben erinnert noch an einen Ort der Geselligkeit und Bewirtung.
Ein neuer Gastwirt
Im Jahr 1896 erwirbt Franz Steinberger das Haus, der mit Maria Bauer verheiratet ist. Zuvor betreibt Michael Lichtenegger hier sein Gasthaus. Das Gebäude trägt zu Lichteneggers Zeit noch die Adresse Petersgasse 525. An seinem Haus nimmt der Gastwirt einige kleine Veränderungen vor. So ersetzt er 1861 auf der strassenseitigen Seite ein Fenster durch eine Tür. Nur ein Jahr später errichtet er eine Keller- und Dachbodenstiege; natürlich alles mit der Bewilligung des löblichen Magistrats der Landeshauptstadt Graz. An diesen Veränderungen kann sich Michael Lichtenegger jedoch nur drei Jahre erfreuen, denn am 14. September 1865 erfährt seine Kundschaft aus der Grazer „Tagespost“, dass der Gastwirt im 48. Lebensjahr an einer „Gehirnlähmung“ verstarb. Das Haus übernimmt seine Ehefrau Elisabeth, die ein Gasthaus um das Jahr 1870 eröffnet.
Bis 1896 sind keine weiteren Akten im Stadtarchiv Graz zu dem kleinen gelben Häuschen in der Petersgasse vorhanden. Eine Zeitungsanzeige im Grazer Tagblatt vom 02. Mai 1897 wirbt jedoch für die Gastwirtschaft von Franz Steinberger, die vormals „Podlipny“ geheißen hat. (Der Name Podlipny kommt in den Bauakten durchaus häufiger vor – dazu aber gleich mehr.) Anna Podlipny ist jedenfalls die Tochter von Michael und Elisabeth Lichtenegger. Nach dem Tod der Mutter übernimmt Anna das Schankgewerbe.

Im Jahr 1896 eröffnet jedenfalls Franz Steinberger als neuer Gastwirt das Gasthaus in der Petersgasse. Im gleichen Jahr schließt er auch den Bund der Ehe mit Maria, die in den Bauakten als geboren, in einem Zeitungsartikel als verwitwet Bauer (Grazer Tagblatt, 28.05.1921), bezeichnet wird. Eine Frau, die 56 Jahre als Gastwirtin bis zu ihrem Tod 1926 arbeitet. Sie wird in einem Nachruf im Grazer Tagblatt wie folgt beschrieben:
„Wer die herzensgute, überaus zuvorkommende, bescheidene Frau kannte, wer von ihrem wohltätigen und hilfsbereiten Wirken wußte, kam, den strömenden Regen nicht achtend, ihr das letzte Geleite zu geben. Viele Vereine, denen die Verstorbene als treues Mitglied angehörte, waren vertreten. Ein Bläserchor, in liebenswürdiger Weise von Direktor Waltl der Städt. Bestattungsanstalt beigegeben, und ein Sängerquartett erhöhten noch die aufrichtige Trauerstimmung.“ (Grazer Tagblatt, 17.08.1926) Eine wahre Lobeshymne auf das verloschene Leben der Gastwirtin.
Die Nachbarschaft
Aus einem Situationsplan in den Bauakten geht hervor, dass ein Herr Lackner in dem Nachbarhaus wohnt. Seine Adresse ist Petersgasse 44. Über sein Ableben informiert die Leserschaft das Grazer Volksblatt vom 16. Februar 1906. Anton Lackner wird als Fuhrwerks- und Straßenbahnunternehmer vorgestellt. Er wird wohl auch mit der „Schienenlegung der neuen Linie der Grazer Stadtbahn“ betraut (Grazer Tagespost, 01.11.1905). Das Unternehmen führt nach seinem Tod vermutlich sein Sohn Josef Lackner weiter. Jedenfalls wird ein Josef Lackner, ein Bahn- und Straßenbahnunternehmer, als Unterzeichner einer Traueranzeige für Josef Absenger, einen k.k. Rechnungsrat bei Oberlandesgericht Graz, erwähnt. Er ist der Schwager des verstorbenen Rechnungsrates (Grazer Volksblatt, 10.06.1917).

Während der Name Lackner nur einmal auf einem Situationsplan erwähnt wird, kommt Franz Podlipny häufiger in den Bauakten vor. Er ist unter der Adresse Petersgasse 46a wohnhaft. Es scheint so, als ob er der Verkäufer des gelben Gebäudes an Franz Steinberger gewesen sei. Er war jedenfalls mit Anna Lichtenegger verheiratet.
Franz Podlipny taucht dabei immer wieder in unterschiedlichen Zeitungsartikeln auf. So ist aus Zeitungen zu entnehmen, dass er die Funktion des Vorstehers der „Genossenschaft der Kleinschlächter“ inne hat (Grazer Tagblatt, 02.02.1893). 1902 stirbt er im 60. Lebensjahr, wie wiederum aus dem Grazer Tagblatt vom 28. Dezember 1902 seine Kundschaft erfährt. Der Fleischselchemeister und Hausbesitzer stirbt nach „längerem Leiden“ und nach dem Erhalt der heiligen Sterbesakramente. Die Auflistung der Namen auf der Traueranzeige gibt einen kleinen Überblick über seine Nachkommenschaft. Im Hinblick auf das Haus in der Petersgasse ist interessant, dass er mit einer Anna, geboren Lichtenegger, verheiratet war – vermutlich die Tochter von Michael Lichtenegger, die das Gasthaus nach 1865 erbt.

Eine Holzhütte als Zankapfel
Ob das „längere Leiden“ von Franz Podlipny etwas mit einer Holzhütte zu tun gehabt hat, kann an dieser Stelle nicht beantwortet werden. Um genau diese Holzhütte geht jedoch eine Auseinandersetzung zwischen dem Gastwirt Steinberger und dem Selchermeister Podlipny.

Im Juli 1897 wird jedenfalls die Errichtung einer 5m langen, 3m breiten und 2,9m hohen sowie mit Dachpappe gedeckte Holzhütte Franz Steinberger durch den Stadtrat bewilligt. Sie ist als ein „Provisorium“ auf die Zeitdauer von fünf Jahren gedacht. Durch diese „Baubewilligung finde ich mich beschwert und ergreife in offener Frist den Recurs“, so jedenfalls der Nachbar Podlipny, der gar nicht mit dem Bescheid einverstanden ist. Er meint, dass Steinbergers Argument, die Hütte sei ein Provisorium, „ins Gebieth der Fabeln“ gehöre. „Wenn die Hütte einmal steht, so bleibt sie auch stehen.“ Weiters, schreibt Franz Podlipny in seinem Einwand gegen die Hütte, dass diese eigentlich nicht für die Unterbringung des Brennholzes bestimmt sei. Vielmehr beabsichtigt der Nachbar „später den Holz- und Kohlenhandel zu betreiben, was den auch wieder nur als Provisorium betrieben werden wird!“, so der Selchermeister. Außerdem, so der Ästhetiker Podlipny, würde die Holzhütte sicherlich nicht „zur Verschönerung der Petersgasse“ beitragen. Zusätzlich würde die „fragliche Hütte beziehungsweise ein großer aufgelagerter Vorrath von Brenn-Material eine eminente Feuergefahr“ bedeuten. „[E]benso wird mir auch der Licht-Einfall in meine Werkstätte wesentlich beeinträchtiget“, führt Podlipny weiter aus. Natürlich verweist der Nachbar auch auf das öffentliche Interesse. Durch die Errichtung der Holzhütte würde der Bau einer durch die Stadt geplanten Zukunftsstraße verhindert werden.

Bis zur endgültigen Entscheidung darf der Gastwirt Steinberger eigentlich die Hütte nicht bauen. Aber es reicht ihm offensichtlich. Dieser Gastwirt-Anarchist stellt die Hütte einfach auf, was sich der Nachbar so nicht gefallen lässt. Er beschwert sich erneut, so dass das Stadtbauamt die Demolierung der besagten Hütte fordert. Schließlich wurde diese vor „dem rechtskräftigen Stadtrathbescheide“ errichtet, und zwar ohne die geforderte „feuersichere Bedachung und ohne die Feuermauer an der Grenze“ zur Nachbarrealität. Franz Steinberger knickt ein. Er baut teilweise die Hütte wieder ab und gibt an, den Rest bis zum 28. Mai 1898 abzutragen. Doch am Ende erhält er die Bewilligung für die Errichtung der Holzhütte, die er „im Winter zur Unterbringung eines Theiles seiner Gasthaustische u. Stühle, welche im Sommer in dem Gastgarten stehen“, benutzen will. Einige Jahre später wird die Holzhütte jedoch wieder Thema werden, da sie nicht ordnungsgemäß aus Mauerwerk errichtet worden war. Zu diesem Zeitpunkt hat Franz Steinberger bereits einen neuen Nachbar und diesem ist es egal, dass die Hütte „aus gewöhnlichen Holzladen“ besteht.
Weitere Bauprojekte
Nach einer kurzen Schaffenspause entscheidet sich der Gastwirt Steinberger für weitere Veränderungen an seinem Grund und seinem Haus. Und erneut baut er zuerst, dann fragt er um eine amtliche Genehmigung an. So ist dies bei einem Keller, wie bei einer Werkzeughütte. Eine strassenseitige Fassadenveränderung beantragt er jedoch, denn dies wäre wohl kaum im Geheimen gegangen. Nun erhält das Gasthaus diese reizende Form, die bis heute besteht. Die Arbeit führt der Maurermeister Franz Rosier aus, der die Konzession für das Maurergewerbe seit Februar 1894 hat (Grazer Tagblatt, 21.02.1894). Die Planskizze weicht jedoch in einigen Details von dem gegenwärtigen Ist-Stand ab. Vielleicht ist der Maurermeister Franz Robier nicht ganz bei der Sache gewesen, weil er zu sehr an seine Tätigkeit als Hauptmannstellvertreter bei der Freiwilligen Feuerwehr Waltendorf nachgedacht hat. Vom Nachbarn kommt jedenfalls kein Einspruch mehr. Unter Franz Steinberger wird das Gasthaus noch bis zu seinem Tod 1939 geführt.

Quellen & Literatur:
Akten aus dem Grazarchiv und diverse Zeitungen als Quellen; Karl Kaser & Michael Wolf (1996): Grazer Beisl-Welten. Mit Herrn Eduard durch 40 gastliche Stätten, S. 51–52.
Toll recherchiert, vielen Dank!
Herzlichen Dank für diesen tollen Bericht. Mein Schwager Hermann Häfele, der gegenüber den Steinmetzbetrieb (mittlerweile ist ja mein Neffe, Herman Häfele Junior Geschäftsführer) besessen hat, hat sich sehr darüber gefreut, dass ich ihm diesen Bericht weitergeleitet habe. Ich war mit ihm bis zur Schließung vor einigen Jahren öfter mal im „Steirertröpferl“ auf ein gutes Bier.
Liebe Grüße
Karl Kern
Jetzt auch von Hermann Häfele, seit 1957 in der Petersgasse 35 dann 51 teilweise ansässig,
ein Danke für diesen Bericht. Ich habe schon als Kind im „Gasthaus Kobelmüller“ ab und zu für mich ein Eis oder ein Himbeerkracherl und für die Mitarbeiter im Steinmetzbetrieb meines Vaters ein Bier holen dürfen. Jetzt, im Betrieb meines Sohnes, sehe ich aus dem Fenster noch immer das „Steirertröpferl“ im Dornröschenschlaf.
Der Bericht macht mir viel Freude und wird archiviert, da man in meinem Alter schon lieber nach hinten als nach vorne schaut.