„Früher als in anderen Alpenstädten zieht der FÜHLING ein, Ahnung des nahen Südens. Die Stadt ist ein großer Garten, der Duft des Flieders und Jasmins durchzieht die Gassen und zarte Lüfte wehen über die alten Basteien der Schloßbergfestung. Ein Abend dort oben, wenn die scheinende Sonne mit fast unwirklichen Farben die vielen hintereinander gestaffelten Bergketten des Nordens abschattiert und die Dunkelheit sich über die Giebel der Altstadt allmählich emporbreitet, der Fluß unten die letzten Sonnenstrahlen gleichsam sehnsüchtig trinkt, wenn dann der Blütenschnee Tausender von Bäumen der nahen Landschaft ins Nichts versinkt und nur mehr der Hauch der Blüten übrig bleibt, ein solcher Abend in Graz ist etwas, das das Herz bis zum Tiefsten erregt.
Wochen unsäglicher Schönheit bringen den SOMMER. Dicht belaubt ist dann die Gartenstadt. Der Schloßberg, des Gartens Mitte, hat seine Felsabstürze in tiefes Grün verhüllt, der Stadtpark, der Burggarten, der Rosenhain, die Murauen, alles atmet Erholung und Glück. Die Ferne rückt nahe heran. Im Süden das weite Land, im Norden die Berge laden zu Fahrten und Wanderungen. Da ist Graz enge verwachsen mit seiner wundervollen Umgebung, eine Großstadt auf dem Lande, die lebt und in der der Rhythmus des Besitzergreifens all der Schönheit jeden bezwingt. Wer ruhige Stunden in dieser Stadt sucht, der wird sie finden und wem das lockende Leben etwas bedeutet, der wird es hier nicht missen.
HERBST in Graz. Wie der Frühling hier früher gekommen, so dauert der Herbst bis tief in eine Zeit hinein, in der andere Städte der Berge frostgeschüttelt sind. Oft erkämpft sich die heitere Zeit ihr Recht bis in den Dezember. Wer denkt nicht der herrlichen Tage im Jahre 1929, da Gerhart Hauptmann vom Schloßberg ins Land geblickt hat, an einem 6. Dezember, wo die Menschen noch ledig jedes wärmenden Überrockes unter den Festungsmauern gesessen. Die Stadt ist einzige Farbsymphonie, in der das Braun, Rot und Gelb der fallenden Blätter mit den ins Sepia getauchten Ziegeldächern und den alten eigentümlichen Fassaden zusammenklingen. Tiefblau über der Stadt der Himmel und auf den Bergen der Schnee.
Dann fallen bald die weißen Flecken. Der Schnee des WINTERS ist gekommen, die Ecken und Kanten der Häuser liebevoll verbergend unter weißer Last. Still die Gärten. Weihnachtszeit! Die Straßen belebt von Menschen, die Geschäftslokale, die Herrengasse von buntem Licht erleuchtet, voll der Freude! Überall stehen auf den Plätzen die Tannenbäume der nahen Wälder, um am Heiligen Abend die Wohnräume zu durchstrahlen. Da lockt dann wieder die nahe Umgebung und die Menschen ziehen hinaus auf die sonnigen Höhen, frische, fröhliche Jugend, die dem Exzelsior der Berge folgen! Darunter mancher, der sich auf internationalem Kampfplatz des Sportes die höchste Lorbeeren geholt und der die Farben von Graz als Stadt des Sportes weit über unsere Lande hinausgetragen hat.
Ein Wort eines Dichters unserer Heimat erfaßt mit seltener Sicherheit die Eigenart der Stadt. R. H. Bartsch sagt: „Alte Geschichte, nahe Umgebung in höchster Klarheit, ferne Berge, großer heitere Weite – ich kenne kaum eine Stadt, so schön wie diese. Stückweise ist Rom, ist Florenz, ist Salzburg, ist Lübeck schöner und Paris hat noch größere Parks. Aber alles zusammen, geheimer, intimer und dennoch vollzählig, was zu einer Stadt gehört, in der man in Schönheit leben kann, in glücklicher Weisheit alt werden.
ALLES ZUSAMMEN HAT BLOSS GRAZ“
Aus: Graz. Die Gartenstadt zu allen Jahreszeiten, ohne Datum.