Wenn man Karlau hört, dann denken Grazerinnen und Grazer an ein ganz bestimmtes Gebäude. Die Karlauerstraße ist jedoch für viele wohl eher unbekannt. Sie verbindet dabei den Griesplatz mit dem Karlauplatz. Während der Griesplatz jedem bekannt ist, führt der Karlauplatz eher ein Schattendasein unter den Plätzen in Graz. Es ist auch kein Platz, der zum Verweilen einlädt. Vielmehr ist er eine Verlängerung der Karlauerstraße, wo jeweils die Brückengasse, Fabriksgasse und Herrgottwiesgasse beginnen, bzw. je nach der Sichtweise, enden.
In diesem Blogartikel geht es aber um die Karlauerstraße, an der so wichtige Gebäude wie die Karlauerkirche als auch die Polizeiinspektion sowie Verkehrsinspektion Graz liegen. In dem Polizeigebäudekomplex ist auch die Abteilung Cobra-Süd untergebracht.
In den letzten Jahren hat sich vor allem das Straßenbild ab der Kreuzung Albert-Schweitzer-Gasse und Karlaustraße bis zum Karlauplatz stark verändert. Fast die gesamten Gebäude auf der rechten Seite wurden ab dieser Ecke bis zur Karlauerkirche durch Neubauten ersetzt. Nun prägen vor allem hohe Wohnbauten das Straßenbild.
In der Vergangenheit waren in der Karlauerstraße und in ihrer unmittelbaren Nähe einige Gewerbebauten zu finden. So stand bis 1894 in der Nachbarschaft die Köstenbaummühle (Köstenbaumgasse), die durch einen Brand zerstört worden war. Die Firma Puch erwarb sodann dieses an die Karlauerstraße angrenzende Gelände für ihre Styria-Fahrradfabrik. Ihr folgten ab 1897 die Styria-Dürkopp-Werke. In dieser Zeit, also zwischen 1880 und 1900, existierten über 50 Radvereine in Graz, so der Grazer Historiker Kubinzky. (LINK).
Durch eine Gasexplosion im Jahr 1968 entstand wiederum ein Millionenschaden in der Hutfabrik von Anton Pichler, die sich in der Karlauerstraße 26 befand. Obwohl überall Mauertrümmer umherflogen, wurde keine Person verletzt. Das Gebäude sah aus, als ob eine Bombe eingeschlagen hätte, so berichtet jedenfalls die Kleine Zeitung vom 20. Jänner 1968. Der Abbruch des Gebäudes erfolgte jedoch erst um die Jahrtausendwende. Bevor die Hutfabrik in die Karlauerstraße umzog, war das 1848 gegründete Unternehmen am Grieskai zu finden. Aus Expansionsüberlegungen und durch den Bau des Hotels Wiesler wurde sie zu einem Umzug bewegt (LINK).
Eine Fassbinderei und Weinkellerei war in der Karlauerstraße 39 zu finden. Josef Raid, Fassbindermeister und Hausbesitzer, war der Eigentümer. Der für den Gemeinderat kandidierende Raid verstarb mit 65 Jahren am 26. Juli 1908. Er war wohl Vater von mehreren Kindern, denn in den Zeitungen werden einige von ihnen namentlich erwähnt. Der politisch aktive Fassbindermeister gehörte der „Deutschantisemitischen Gewerbepartei“ an. Es erregte wohl seinen Unmut, als er unter einem Wahlaufruf der „patriotisch-deutschösterreichischen Bürgerpartei“ seinen Namen entdeckte. Seine Beschwerde darüber wurde am Freitag, den 29. Juli 1898, im Grazer Tagblatt publiziert. Zeitungsannoncen nutze Josef Raid auch, um passende Arbeitskräfte für seine Fassbinderei zu finden.
Das Gebäude in der Karlauerstraße 46 gehörte wiederum zu einem Gebäudeensemble der Lederfabrik Manker. Ab 1891 gehörte es zu der bereits weiter oben beschriebenen Firma von Johann Puch, in der Fahrräder produziert wurden. Die Rückansicht des Fabrikgebäudes ist gut von der Brückengasse aus zu betrachten (siehe oben: Foto Styria-Dürkopp-Werke).
In der Karlauerstraße 43–47 stand eine Seilerwaren- und Rosshaarspinnfabrik von Otto Haase und Sohn. Die Aufschrift ist vor allem auf älteren Postkarten zu sehen, die die Karlauerkirche von Süden zeigen. In den Zeitungen um 1900 wird als Adresse auch Griesplatz 29 und Murplatz 1 angegeben, wo sich die Verkaufsstellen befanden.
Auf dem Gelände der Fabrik von Otto Haase war bis vor wenigen Jahren die Firma Obad zu finden, die bis heute Beschriftungen für den Innen- und Außenbereich herstellt. Die Firma hat ihren Produktionsstandort verlagert. Alte Schriftzüge auf der Rückseite eines der übriggebliebenen Häuser in der Karlauerstraße zeugen jedoch weiterhin von der alten Herstellungsstätte.
So hat sich das Bild der Karlauerstraße in den letzten Jahren extrem gewandelt. Einst eine Straße voller Gewerbebauten ist sie zu einer Wohnstraße geworden. Es ist anzunehmen, dass die Metamorphose noch nicht abgeschlossen ist. Zu wünschen wäre, dass zum einen die Karlauerstraße etwas mehr begrünt wird, zum anderen der noch übriggebliebene Hausbestand bewahrt wird.