„Die Volkszählung 1869 kennt noch nicht Neu-Algersdorf. Beiderseits der Alten Poststraße war in diesem Bereich kein Wohnhaus zu finden. Nur ein Ziegelofen, in der Literatur oft als Hödlsche Ziegelei bezeichnet, auf der Grazer Seite weist auf die kommende Nutzung hin. In den folgenden Jahren entstehen hier, genauso wie in St. Peter, Messendorf und Andritz mehrere größere Ziegeleien. Die für die Ziegelproduktion günstigen Lehmböden leisten ihren Beitrag zum städtischen Wachstum. So befand sich die als für St. Peter charakteristisch eingestufte Ziegelei Angelo Eustacchio ursprünglich hier auf dem Bodenfeld. An das Kasernengelände jenseits des Bahnhofs schlossen nördlich um 1910 zwischen der Alten Poststraße und der Rosensteingasse (nun: Waagner-Biro-Straße) rund zehn größere und kleinere Ziegelgruben an. Dies war eine wichtige Ursache für die Entstehung von Neu-Algersdorf (1880: 2.229 und 1900: 5.107 Bewohner) auf den Rochelgründen. Aber auch die Brauerei, die Glasfabrik, der Bahnhof und seine Folgebetriebe gaben Arbeit für Zuziehende.
Insgesamt entstand hier binnen weniger Jahrzehnte auf grünem Grund eine geschlossene Arbeitersiedlung. Die relativ ähnlichen Häuser, die vorstädtisch angelegten Gassen im Rastermuster bildeten die Wohnwelt für einige tausend Arbeiter, aber auch für die meist kleinen Geschäfte und Handwerksbetriebe zu ihrer Versorgung. Wenn die Volkszählung 1880 für Graz 63% nicht in der Stadt Geborene zählt, kann dieser Prozentsatz der nicht am Wohnort Geborenen für Neu-Algersdorf mit über 90% angesetzt werden. Wenn in Graz damals ein Drittel der Bewohner nicht in der Steiermark geboren wurden, dann war dieser Prozentsatz in Neu-Algersdorf sicherlich nicht geringer. Es kann daher angenommen werden, daß es in der kleinen Welt von Neu-Algersdorf ein buntes Gewiss von Sprachen, Kulturen und Traditionen gab. In Ziegeleien beispielweise waren häufig Arbeiter aus dem italienisch sprechenden Teil Österreich-Ungarns tätig. Die St. Vinzenzkirche (1894) und der auf der (Arbeiter-)Mission orientierte Lazaristenorden waren hier im katholischen Zeitgeist gezielt als Mittel zur geistlichen Betreuung eingesetzt.“
Aus: Gerhard M. Dienes, Karl A. Kubinzky: Eggenberg. Geschichte und Alltag, Graz 1999.
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